16. Dokumentarfilmwoche Hamburg

Festivalzentrum

Galerie

16. Dokumentarfilmwoche Hamburg
Festivalzentrum


Auch dieses Jahr befindet sich das Festivalzentrum in den Räumen der Frappant Galerie. In direkter Nachbarschaft gibt es im Keller der Viktoriakaserne täglich ab 22 Uhr den dokfilmclub.
Alle Infos zum Programm findet ihr hier: dokfilmwoche.com

Programm im Festivalzentrum:

Donnerstag 04.04.

14 Uhr
Reihe Positionen
Installationseröffnung: Establishing Shots
Daniel Kötter, D 2017, Installation, OmeU

»Establishing Shots« – das sind 58 kurze Videos auf 58 chinesischen Mobiltelefonen, die in acht afrikanischen Ländern sowie in Hongkong und China gedreht wurden. Sie dokumentieren die Komplexität der sino-afrikanischen Beziehungen und stellen die Idee von Chinafrika in fünf Kapiteln vor: „Yü Güng moves mountains“ verortet die chinesische Politik der Freihandelszonen und großer Bauprojekte in Afrika, während „Trains and Transport“ die Expansion von Logistik und Infrastrukturen dokumentiert. „Trades, Malls and Factories“ erforscht die Orte, die von einem neuen globalen Bottom-up-Handel zwischen Afrika und dem Perlflussdelta geprägt sind. „Every Day Beliefs“ betrachtet die kulturelle Überlappung des sino-afrikanischen Alltags, der Traditionen und der Religion. „And Europe?“ schließlich stellt die Frage nach der Position der westlichen Hemisphäre.

Daniel Kötter ist ein international tätiger Filmemacher und Musiktheater-Regisseur. Er changiert zwischen medialen und institutionellen Kontexten und verbindet Techniken des Experimentalfilms mit performativen und dokumentarischen Elementen.

Gast: Daniel Kötter

 

Freitag 05.04.

11 Uhr
Reihe Positionen
Buchvorstellung „Duisburg Düsterburg“ – die B-Seite

34 Jahre lang hat Werner Ružička die Duisburger Filmwoche geleitet und die (bundes-)deutsche Dokumentarfilmgeschichte aus dem Ruhrgebiet begleitet. Dieser Perspektive widmet sich der im November 2018 im Verbrecher Verlag erschienene Gesprächs- band „Duisburg Düsterburg“, in dem Ružička mit dem Medienwissenschaftler Simon Rothöhler und dem Filmjournalisten Matthias Dell spricht. Diskutiert wird auch: alte und neue Linke, Leipzig-Reisen vor 1989, der regionale wie filmkulturelle Strukturwandel. Die Buchvorstellung bei der dokumentarfilmwoche hamburg ist als B-Seite des Buches gedacht: Werner Ružička spricht mit Matthias Dell über das, was in „Duisburg Düsterburg“ noch nicht gesagt wurde. Über Popkultur etwa. Oder darüber, wie er einmal auf dem Essener Güterbahnhof die dislozierten Beatles traf.

Gäste: Werner Ružička & Matthias Dell


14.00 Uhr
Reihe Positionen
Lebens-Geschichte des Bergarbeiters Alphons S. – 1. Teil
Christoph Hübner (R/K), Gabriele Voss (R), BRD 1978, 30 min, restaurierte Fassung

Prosper/Ebel – Inmitten von Deutschland
Christoph Hübner (R/K), Gabriele Voss (R), BRD 1982, 77 min, restaurierte Fassung

Alphons Stiller (1906-79) durchlebte schroffe Umbrüche. Er war Kohlehauer, „Tippelbruder“, Landarbeiter und Bausoldat. Ein begnadeter Erzähler, in dessen Biografie sich die deutsche Zeitgeschichte über zwei Weltkriege hinweg spiegelt. Die in acht Teile gegliederte »Lebens-Geschichte des Bergarbeiters Alphons S.« ist einer der frühen Ruhrgebietsfilme von Christoph Hübner und Gabriele Voss und wurde im vergangenen Jahr in die Liste des „Nationalen Filmerbes“ aufgenommen – und dadurch restauriert und neu digitalisiert. Auch der Zyklus »Prosper/Ebel – Chronik einer Zeche und ihrer Siedlung« gehörte zu der Auswahl. Von 1979 bis 1982 lebte und arbeitete eine Gruppe von Dokumentarist*innen des 1978 gegründeten RuhrFilm-Zentrums in einer kleinen Bergarbeitersiedlung in Bottrop-Ebel und begleitete mit der Kamera das Leben der Bewohner über und unter Tage. »Inmitten von Deutschland“ ist einer von sechs Filmen, die in dieser Zeit entstanden sind.

Gäste: Christoph Hübner & Gabriele Voss


Samstag 06.04.

11.00 Uhr
Retrospektive Walter Heynowski & Gerhard Scheumann – Kurzfilmprogramm

Remington Cal. 12 DDR 1972, 14 min Eintritt kostenlos DDR 1976, 11 min Am Wassergraben DDR 1978, 16 min Geldsorgen DDR 1975, 6 min

Meiers Nachlass DDR 1975, 21 min

Der Mann an der Rampe DDR 1988, 13 min

Das Geld und der Krieg, der Tod und das Kapital – das überrascht nicht weiter – sind bei H&S unauflöslich miteinander verbunden. Die zu allen Zeiten des gemeinsamen Filmemachens entstandenen kürzeren Arbeiten, Filme von fünf bis 20 Minuten Länge, verdichten diese Grundhaltung in außergewöhnlich feinen, wenngleich aber nie ihrer Intensität beraubten Miniaturen. Film kann sichtbar machen: die kleinen Kugeln in der Munition amerikanischer Waffenhersteller, die Geschichte eines Volkes im Kampf gegen die Imperialisten, die Botschaften des Aufstandes auf den Geldscheinen, die Gesichter der Auktionatoren mit Nazifetisch. Handwerkliche Perfektion, politische Dringlichkeit und die Kunst der poetischen Verdichtung, die den Arbeiten von H&S zu eigen sind, treffen hier auf den Pragmatismus politischer Agitation, der vor allem schnell, direkt und ohne Umschweife wirken möchte.


14.00 Uhr
Retrospektive Walter Heynowski & Gerhard Scheumann – 
Now & Then | Diskussion

2019 eine Retrospektive zu den Filmen von Heynowski & Scheumann zu veranstalten ist auch die Ansage, dass diese Filme immer noch etwas für die Gegenwart bereithalten: Weil sie von der Vergangenheit erzählen, zumal aus der Perspektive eines obsoleten politischen Regimes, aber auch weil sie Fragen des Umgangs mit Fakten und ihrer Manipulation aufwerfen, die zurzeit erneut (besser: noch größere) Dringlichkeit bekommen, auch jenseits eines reinen Dokumentarfilmdiskurses. Im Panel zur Retrospektive sprechen die Filmemacher Thomas Heise und Andreas Goldstein (beide mit je einem Film, der das eigene Leben mit dem politischen System der DDR ins Verhältnis setzt, im Programm der dokumentarfilmwoche vertreten) entlang von Ausschnitten mit Alejandro Bachmann, dem Kurator der Retrospektive, über ihre persönlichen wie künstlerischen Perspektiven und deren Verschiebungen vor und nach 1989.


Sonntag 07.04.

13.30 Uhr
Reihe Positionen
Das (wieder-)gefundene Material – Ein Gespräch über die Arbeit mit Found Footage

Anhand dreier sehr unterschiedlicher Filme – »Missed Embrace«, »Der Funktionär« und »Unas Preguntas« – wollen wir darüber sprechen, in welchem Verhältnis Archivbilder oder Found Footage zur Geschichte und unserer Erinnerung stehen. Wie können fotografische und filmische Bilder als Quellen etwas über ein vergangenes Ereignis aussagen? Und welche Wirkung geht von diesen Bildern aus?

Das verwendete Material und die Bearbeitungsstrategien der drei Regisseur*innen fallen dabei ganz verschieden aus. Ihnen ist jedoch gemeinsam, dass ihre Aneignung von Bildern aus dem Archiv nicht einfach der Illustration eines Themas dient. Vielmehr stellen sie sich grundlegende Fragen nach Möglichkeiten der medialen Repräsentation und setzen sich auf selbstreflexive Weise mit der Medialität und Wirkungsweise der gefundenen Bilder auseinander. Mit einer konzentrierten Beobachtung der überlieferten Bilder machen sie dabei auch sichtbar, was auf den ersten Blick verborgen bleibt.

Mit ästen


15.30 Uhr
Reihe Positionen
Chinafrika.mobile
Daniel Kötter (R), D 2018, 38 min, OmeU

Die Kamera verfolgt den Lebenszyklus eines Mobiltelefons, von der „Geburt“ in den Minen im Kongo über die Herstellung in chinesischen Fabriken bis hin zur Nutzung und zu seinem „Tod“ auf den Märkten und Recyclingdeponien in Nigeria. Gefilmt von Bergleuten, Fabrikangestellten, Händler*innen und Elektroschrott-Sammler*innen an Originalschauplätzen, zeigt der Film die Arbeit an jenem Gerät, das unseren Alltag so sehr prägt. Seit 2013 recherchiert Regisseur Daniel Kötter zusammen mit dem Kurator und Urbanisten Jochen Becker zu den kulturellen Effekten der ökonomischen und politischen Beziehungen zwischen China und dem afrikanischen Kontinent. Aus diesen Recherchen entstand 2017 die Ausstellung „Chinafrika. under construction“, in der die Wege nachgezeichnet wurden, die Menschen, Rohstoffe und Waren zwischen den globalen Akteuren China und Afrika gehen.

Gast: Daniel Kötter
Hamburg-Premiere


17.00 Uhr
Reihe Positionen
Jonas Mekas‘ Filmdiaries – Vortrag von Eva Kuhn

„We believe that cinema is indivisibly a personal expression. We therefore reject the interference of producers, distributors and investors until our work is ready to be projected on the screen.“ Vor diesem Hintergrund leistete Jonas Mekas’ langjährige filmische Tagebuchpraxis einen entscheidenden Beitrag zur Grundlagenforschung für eine neue Sprache des Kinos. Mekas schenkt seine Aufmerksamkeit in erster Linie den Erscheinungen des prosaischen Alltags. Die 16mm-Bolex-Kamera agiert aus Mekas’ Hand und seinen Hüften, sie reagiert spontan auf das, was einfällt, zerlegt die Zeit des Lebens und holt erlesene Augenblicke in die Welt des Films hinein. Geschnitten, geordnet und montiert verbinden sich die visuellen und akustischen Aufzeichnungen in der Projektion, erinnern sich selbst und veranlassen uns dazu, über das Verhältnis von Film und Lebensprozessen nachzudenken.

Eva Kuhn arbeitet seit 2017 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Gegenwartskunst an der Leuphana Universität Lüneburg. 2013 promovierte sie an der Universität Basel mit der Arbeit „leben – filmen. Jonas Mekas’ filmisches Lebenswerk“.